wenn der adler steppt

stefan am 19. Februar 2001 um 15:00 Uhr

Grundsätzlich bin ich kein großer Karnevalist. (Wie lautet eigentlich das Pendant beim Fasching?) Und ein Grund nicht nach Köln, sondern nach Berlin zu ziehen, war, dass es in ersterer Stadt eine fünfte Jahreszeit gibt und in der letzteren nur deren vier, obwohl man machmal meint hier gäbe es nur den Winter. Trotzdem kommt man zur jetzigen Zeit nicht umhin, doch etwas von der allgemeinen Närrigkeit wahrzunehmen. Das fängt an bei den kreativ-witzigen Plakaten, die einem mitteilen, dass ohne Führerschein das ganze Jahr Aschermittwoch sei (und ich denke: ja und?) und hört auf, wenn man beim zappen zufällig in eine der vielen Karnevalssendungen zappt und doch kurz hängen bleibt, weil man sich an die Zeiten erinnert, in denen man mit dem Opa und der Oma die damaligen Aufzeichnungen der Karnevals-Sitzungen verfolgte.

Und es hat sich kaum etwas verändert. Bei den Kölner glucken immer noch “De Höhner” und sehen aus wie die Scorpions in einem Wer-hat-den-kreativsten-Schnurrbart-Wettbewerb. Und die Meenzer versuchen sich wie eh und je in politischer Agitation. Und über Düsseldorf weiß ich immer noch nichts.
Doch etwas hat sich verändert. Neben die drei Hochburgen Mainz, Köln und Düsseldorf hat sich eine vierte Hochburg geschoben:
Das närrische Treiben im Preußenland Brandenburg, das unter dem Titel “Heute steppt der Adler” firmiert und dieses Jahr aus der närrisch-frohen Stadthalle Cottbusses übertragen wird. (dazu gibt’s ne Chronik, die sich lohnt) Dort herrscht eine Stimmung zwischen einer Betriebsratssitzung und einem kläglichen Miss Brandenburg-Wettbewerb. Die Cottbusser Narren schauen etwas traurig in ihr Bierglas und nur ab und zu zuckt ein kleines Lächeln über ihr Gesicht, wenn “Die Landeier” ein anzüglich Witzchen über den Doktor, Erna und deren Unterleibsprobleme machen. Unglaublich, aber wahr: die Länge der Bärte der Witze nimmt propotional zur Dauer der Veranstaltung noch zu.
Alles in allem aber immer noch kein Grund von Berlin nach Cottbus zu ziehen, zumal man nicht weiß, ob nicht im nächsten Jahr der Adler im noch karnevaleskeren Frankfurt an der schönen blauen Oder steppt.
Aber zugegeben, beim Schauen überkam mich ein wenig ein zugleich mitleidiges und freundliches Gefühl. Nicht dass das eine Auge weinte, während das andere sich ob der deftigen Witze den Bauch halten musste vor lachen, aber dass der altbackene Humor der Karnevalsendungen noch existiert und bei anscheinend nicht wenigen Menschen auch noch funktioniert, hatte eine beruhigende Wirkung. Es muss nicht immer Stefan-Raab-Brei und ein Witz auf Kosten des individualisierten Idioten sein. Leider kann mich trotzdem eher eine Sendung Stefan Raab anschauen, als eine Sendung “Karneval Classics” (auch n schöner Titel). Aber vielleicht begehe ich der Erinnerung halber den Rosenmontagsumzug.

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