ich bin wieder da

bodo am 23. September 2001 um 03:24 Uhr

tja, da bin ich wieder, nach drei ganz wunderschönen wochen in italien, obwohl ich wohl kaum abstreiten kann, daß mir hier einiges entgangen ist. etwas nervös macht es einen ja schon, wenn die informationen, die man während einer solch sagen wir mal heiklen weltpolitischen lage erhält, immer aus der zeitung von einem tag zuvor stammen. dafür habe ich diese dann aber auch immer sehr ausführlich gelesen, ich hatte ja schließlich genug zeit, und dabei bin ich am 15.september auch auf eine beilage der ‘welt’ gestoßen, nämlich auf die ‘litererische welt’. am allerspaßigsten wird es ja meist, wenn sich selbsternannte intellektuelle zum rudel formieren und zu wort melden. bekanntlich haben die ja zu allem etwas zu sagen, weil sie ja schließlich von berufs wegen viel nachdenken- so glauben sie, und versuchen, es die welt glauben zu machen. und in besagter beilage der welt passiert eben ausschließlich genau dieses, daß sich berufen fühlende zum thema äußern. zwischen die artikel waren immer wieder kürzere kommentare exponierter schlauer köpfe nebst eines photos der urheber und urheberinnen eingestreut, unterschrieben waren die zitate mit jeweiligem namen, berufststand und herkunftsland. und da waren nun zwei zitate darunter, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

‘die terroristischen anschläge waren große abscheulichkeiten. sie mögen nicht den grad anderer abscheulichkeiten erreichen, etwa clintons bombardierung des sudan unter keinem glaubhaftem vorwand, bei der die hälfte der sudanesischen arzneimittelvorräte und eine unbekannte zahl von leuten getötet wurde (keiner weiß genaues, denn die usa haben eine untersuchung bei der uno verhindert). aber es kann keinen zweifel geben, dass dies ein schreckliches verbrechen war. seine hauptopfer gehören, wie üblich, zur arbeitenden bevölkerung: hausmeister, sekretärinnen, feuerwehrleute und so weiter. es wird wahrscheinlich ein entsetzlicher schlag für die palästinenser und andere unterdrückte völker werden. es wird wahrscheinlich auch zu harten sicherheitskontrollen führen, mit vielen möglichen auswirkungen, die die bürgerrechte und die innere freiheit unterminieren.’
naom chomsky, soziologe, vereinigte staaten

das war der absolute lichtblick meiner zeitungslektüre. mal abgesehen von der tatsache, daß man arzneimittelvorräte nicht töten kann, was mit sicherheit ein fehler des übersetzers, bzw. der übersetzerin ist, hatte ich diesem kommentar nichts hinzuzufügen, sondern verneigte innerlich respektvoll mein haupt.

aber dann kam der hammer!!:

‘wut, wut, wut. ratlosigkeit, hilflosigkeit, verzweiflung. ich liebe new york, arche noah der menschheit [diese saudämliche metapher muß man sich mal auf der zunge zergehen lassen, anm. v. mir], wie keinen zweiten ort auf der welt. schon seit längerem steht das diffuse gefühl, die doppelte illusion der westlichen welt - ‘wir werden bis ans ende unserer tage in frieden, freiheit, wohlstand leben’ und ‘bestimmte gewaltexzesse werden wir nicht mehr begehen’ - kurz vor der implosion. der erste teil der illusion ging am dienstag in flammen, rauch und trümmern auf. die vernichtung des zweiten teils steht bevor, wenn amerika antwortet - antworten muß [indem amerika ‘bestimmte gewaltexzesse begeht’. hört, hört, anm. v. mir] diesen sommer habe ich in new york verbracht, um einen text für ein theaterfestival in frankfurt zu schreiben. darin geht es um eine frau, die in eine westliche metropole reist, um sich dort selbst samt einem großen öffentlichen platz in die luft zu jagen [welch unfaßbare ironie des schicksals. aber mal im ernst, echt voll originelle idee eigentlich, anm. v. mir]. wut, wut, wut. ratlosigkeit, hilflosigkeit, verzweiflung. things will never be the same again.’
thea dorn, schriftstellerin, deutschland

was bitte hat denn dieser dame den titel ’schriftstellerin’ eingetragen? 13 punkte im deutsch-leistungskurs? ein volontariat bei der ‘bild’, wo sie sich sowohl ihre sprachlichen stilistischen fähigkeiten, als auch ihre inhaltlichen orientierungen erwarb? oder hat sie einfach schon immer gerne geschrieben, im hobbykreis zum beispiel? so oder so ähnlich waren dann leider die meisten anderen kommentare ebenfalls, wenn auch meistens nicht gar so dumm. jetzt muß man sich im urlaub auch noch über die zu hause gebliebenen deutschen ärgern. liebe intellektuelle: man muß nicht immer zu allem etwas zu sagen haben, man muß auch mal den mund halten können, und sei das zeilengeld noch so verlockend hoch.
Ach übrigens: habe ich schon erwähnt, wie großartig mein urlaub war?

4 Kommentare zu “ich bin wieder da”

  1. stefan,

    chomsky ist schon ein guter. ich hab ihn 1995 gesehen, als er einen vortrag über die “dritte welt in den usa” hielt. in new york gibt es viertel, in denen keine elektrischen leitungen verlegt sind, viertel, in denen fließend wasser ein fremdwort ist. due to reagan/ bush administration etc.
    chomsky schilderte, analysierte, erweiterte die schlussfolgerungen auf weltpolitikniveau. ganz ganz großartig und beeindruckend.

  2. roland,

    du hast chomsky gesehen. echt? - nie was erzählt davon.

  3. stefan,

    I’m just a gigolo and ev’rywhere I go
    People know the bar I’m playing
    Pay for every dance
    Selling each romance
    Ooh, I could say…
    ;-)

  4. Sean P. Floyd,

    Na und? Searle ist viel cooler :-)

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