man hat’s nicht leicht
bodo am 13. Mai 2002 um 18:04 Uhr‘es ist möglich, dachte gregor, vorausgesetzt, man ist nicht bedroht, die licht stehenden kiefern als vorhang anzusehen. etwa so: offen sich darbietende konstruktion aus hellen stangen, von denen mattgrüne fahnen unterm grauen himmel regungslos wehten, bis sie sich in der perspektive zu einer wand aus flaschenglasigem grün zusammenschlossen. die fast schwarz makadamisierte straße deutete man dann als naht zwischen den beiden vorhanghälften; man trennte sie auf, indem man sie mit dem fahrrad entlang fuhr; nach ein paar minuten würde sich der vorhang öffnen, um den blick freizugeben: stadt und meeresküste. da man jedoch bedroht war, dachte gregor, war nichts wie etwas anderes. die gegenstände schlossen sich in die namen, die sie trugen, vollkommen ein. sie wiesen nicht über sich selbst hinaus. es gab also nur feststellungen: kiefernwald, fahrrad, straße. Wenn der wald zu ende war, würde man die stadt und die küste erblicken; keine kulissen für ein spiel, sondern schauplatz einer drohung, die alles in unabänderliche wirklichkeit einfror, ein haus würde ein haus sein, eine woge eine woge, nichts weiter und nichts weniger; tatsächlich gibt es auch einen genau entgegengesetzten zustand: eine art von nahezu ununterbrochenem symbolisierungswahn, der es nahezu unmöglich macht, in den dingen nur die dinge an sich zu sehen. einer dieser zustände ist die melancholie. melancholiker sehen in allem und jedem die symbolische zuspitzung eines wie auch immer jeweils konkretisierbaren tragischen sachverhaltes. dieser zustand endet, wenn man nicht vorsichtig ist, allzu schnell im puren pathos. so einer bin ich leider, und ich muß daher immer sehr vorsichtig mit dem sein was ich sage und tue.
daß der pathos so verschrien ist in deutschland, wie sonst nirgendwo, denke ich, das hat wohl was mit dem typisch deutschen bürgerlichen ideal der “innerlichkeit”, der wahrhaftigkeit des gefühlten zu tun. mein gott, ein bißchen pathos schadet doch keinem, wer pathetisch ist, will doch genau das, was das englische “pathetic” sagt: mitleid erregen, erbärmlich (=erbarmenswürdig) sein. na und? mut zum pathos, sag ich da. wenn ihn eh jeder erkennt, kann doch nix schiefgehen.
p.s. der linke rand des formulars lappt übrigens immer noch unter die linkleiste.
melancholie definiere ich für mich selbst etwas anders: bittersweet.
deshalb bleibt dann auch der pathos jederzeit ironisch verwertbar, n’est pas?
blöd, dass kein html hier geht: n’est pas war unterlegt mit dem hier: http://www.untier.de/seiten/miszellen/Misz09.htm