laber, laber
bodo am 23. Juni 2002 um 17:46 Uhrwirres und unzusammenhängendes als folge totaler übermüdung.
einer meiner leidenschaftlich und gut turntable spinenden freunde hat seit neuestem die marotte, sich immer mal wieder am telefon, vorausgesetzt er kann feststellen, daß der anrufer ihm bekannt ist, mit ‘in the mix, alder’ zu melden. als ich das letztens zum ersten mal hörte, da mussten ich und die umstehenden sinnesgenossen sehr herzlich lachen. erstens weil es enorm bescheuert ist, und zweitens weil es enorm wunderbar ist, denn es gab uns allen anlaß, in unserem lachen unser sinnesgenossenschaft fühlbar zu verwirklichen, wozu uns x mit seinem scherz den perfekten anlaß lieferte. we are family, unser herz schlägt für dieselbe sache, ohne die wir recht verloren wären.
we are family. wenn ich sowas schon höre, könnte ich kotzen. die kenntnis von cultural studies, und die hervorhebung des polysemischen charakters des symbolischen verweiszusammenhanges ‘pop’ hat das thema zwar in den rang soziologisch ernstzunehmender phänomene gerückt, macht es aber gleichzeitig dem emphatischen rezipienten verdammt schwer, seiner emphase weiterhin ungehindert freien lauf zu lassen, alldieweil: es wird schwierig mit dem pop und dem distinktionsgewinn, und das, obohl dessen möglichkeit gerade erst durch diesen ansatz aufgezeigt wird. diesem gedanken hing ich heute morgen grüblerisch in meim club nach, wo teschno-nacht war, und ich so um 7.30 uhr anfing, keinen bock mehr zu haben, den bis zum letzten moment infernalisch knüppelnden dj, der sich musikalisch aufführte, als müsse er die apokalypse verkünden, zu baldiger beendigung des dramas drängte, weil das arme thekenpersonal und ich schon auf dem zahnfleisch gingen, und ich keinen (ökonomischen) sinn darin sah, für die letzten 20 druffies noch ne stunde weiterzumachen. da saß ich nun also auf meinem hocker, und habe die leute beobachtet, und mir gedacht, von wegen we are family, was für spackos da dabei sind (um die uhrzeit sind es oft zum größten teil spackos), klar sowas sieht man auch ohne cultural studies- kenntnisse. wohlgemerkt, es war teschno, ich bin ja eher so der house-typ, da ist es meistens nicht ganz so arg. anyway, man kann mit leuten vermittels der indentifikation mit styles gemeinsamkeit herstellen, aber man wird dann leider auch oft mißverstanden, falsch, nicht verstanden, weil die kategorie style zu abstrakt ist, um eine einigermaßen präzise verortung herzustellen, polysemisch eben, und plötzlich glauben irgendwelche oberhirnis mit einem gemeinsamkeit herstellen zu müssen, und dann muß man ganz schnell abwinken. tja und so bleibt dieser weg der begründung von identität im sozialen, wie alle anderen auch, wenn auch nicht direkt versperrt, so doch hochgradig ambivalent, mißverständlich und komplex, und ist damit soziologisch zwar hochinteressant, aber alltagspraktisch eher verzweifelt. w.i.r müssen weiter!
ich würde sagen,das fazit lautet: wir werden auch nicht jünger.
habe noch mal drüber geschlafen, und muß jetzt zugeben, wenn man mich nicht ein bißchen kennt, ist es schwer zu verstehen, was ich meine. wenn der beitrag übrigens definitiv etwas nicht ist, dann soziologisch wertvoll.
@ roland: das gildet nicht. unsere generation ist erstens mit der elektronischen musik aufgewachsen und auch gealtert. wir werden das auch noch, so wie mein cousin mit mitte 40 die stones, wahrscheinlich auch noch in 10jahren hören, und zumindest für mich gilt, auch einen bestimmten style damit verbinden. und bei den spackos von denen ich sprach ist von 20 bis mindestens 40 echt jede altersklasse vertreten, der begriff jugend ist in dem zusammenhang meines erachtens weitgehend obsolet.
ich meine, das ändert nichts. was du da beklagst, ist ja, um es hochtrabend zu formulieren, ein verlust von utopie. und das kann man durchaus als desillusion bezeichnen. und das kommt oft mit der zeit.
nein, da hast du mich mißverstanden. es geht nicht um verlust von utopie, was ich meine ist viel bodenständiger. wenn ich jetzt mal so ganz salopp identitätsbildung als einen sozialen akt begreife (und ich glaube, daß die herstellung von identität immer und unbedingt das ergebnis sozialer interaktion ist, und nicht anders funktionieren kann), dann heißt das -nur bezogen auf mein spezielles beispiel-, daß popkulturelle verweiszusammenhänge ein brauchbares kommunikatives vehikel sein könnten, um eben diese identitätsbildung zu ermöglichen oder zu fördern, will sagen inhaltliche übereinstimmungen und abgrenzungen zu formulieren über das was man mag und was nicht, und zwar jenseits der avancierten verbalen konkretion, auch jenseits von intellektualismus. so hat es zum beispeil paul willis in ‘jugend-stile’, ein schlüsselwerk der cultural studies, ausgearbeitet. was mich betrübt: ich bewege mich in einem sozialen feld (das ist natürlich nur ein feld von mehreren, in denen ich mich bewege, und nicht unbedingt das wichtigste), wo das partiell zu funktionieren scheint, und zwar eben über musik (das ganze zeichensystem house läßt sich schon inhaltlich festlegen, wobei natürlich wiederum house nicht gleich house ist), drogen, klamotte, was weiß ich nicht noch was sonst. ich habe zum beispiel ziemlich klar, daß d&b musik ist, die keinen platz für glamour, für verruchte, nicht-bourgeoise dekadenz, für auflösung von gender-festlegungen läßt, was zum beispiel hip hop auch nicht tut. deswegen mag ich beides nur in ausnahmefällen. aaaaber: was man so glaubt zu kommunizieren, mit den stilen zu denen man sich bekennt ist viel vakanter, als man hofft. es geht also um keine gescheiterte utopie, sondern um eine betrachtungsweise von pop, von der ich befürchte, daß sie gescheitert sein könnte- um die mangelnde tauglichkeit von alltagskulturellen auseinandersetzungen, abgrenzungen und hinwendungen als hinreichendes kommunikationsmittel. ich befürchte, daß das projekt der cultural studies, mit der starkmachung des mündigen und vor allem reflexiven rezipienten gescheitert sein könnte, daß alltagspraktisch gesehen (musikalischer) style oft kaum was mit inhalt zu tun hat, auch wenn ich die inhalte, die ich persönlich den von mir bevorzugten styles zuordne ziemlich klar habe. um es letztendlich auf den punkt zu bringen: es hören halt sowohl nazis, als auch autonome teschno -punkt und nochmal punkt. is’n problem. ich glaube, wir sollten das in berlin nochmal wieterdiskutieren, schreib trotzdem zurück.
sorry erstmal für die späte antwort, ich hatte vergessen, nachzugucken, ob du geantwortet hast, nur soviel: du sprichst vom “projekt der cultural studies”, dass identitätsbildung via kultureller verweiszusammenhänge generieren soll. was ist das anderes als eine utopie, bitte schön? - man könnte das jetzt begriffsgehampel nennen, aber da liegt eben ein versprechen drin, das sich deiner erfahrung nach nicht erfüllt, hat also einen auf zukunft ausgerichteten kern, auch wenn es vielleicht als gegenwartsbeschreibung gemeint ist (weiß ich nicht, kenne das erwähnte buch nicht), das würde dann aber nicht zu “projekt” passen.
‘die grundannahme, daß bedeutung immer vieldeutig und der prozeß des lesens immer ein aktiver ist, führt zu einer erhöhten aufmerksamkeit für die bedingungen der rezeption von popularkulturellen produkten und die möglichkeit subversiver aktivität in der konsumation. john fiske fungierte als gallionsfigur in einer bewegung der cultural studies, die nicht mehr dominante lesarten auf ideologische produktion zurückführte, sondern die subversivität von akten der konsumation von popularkultur herausstrich. fiske bestand in seinen arbeiten auf einer verbindung zwischen semiotischer analyse und ‘ethnographischer’ untersuchung des publikums. mit seiner interpretation des ‘phänomens’ madonna -durch die vermarktung von popkultur wird weiblichen teenagern eine form von empowerment möglich- leitete er eine strömung ein, die in der mikropolitik des konsums widerstand und subversivität aufspürte.’ (lutter/reisenleitner, 1998) weißt du was ich meine? man kann das als utopisches projekt interpretieren, es war aber nicht so gemeint. es war gedacht als feststellung eines realen sozialen phänomens, und auch als taugliche forschungsperspektive auf popkultur. ich habe einfach nur die befürchtung äußern wollen, die lesart von populärkultur sei möglicherweise in vielen fällen schlicht und ergreifend beliebig. projekt meinte ich im sinne von forschungsprojekt.
jetzt erinnere ich mich auch, das ist diese schule (im sinne von denkrichtung), die nach irgendeinem britischen ort benannt ist. war es brighton?
nein, birmingham, da gab es nämlich das ‘birmingham centre for contemporary cultural studies’