mellum 02 - Ein Seehund lernt fliegen
stefan am 6. Januar 2005 um 09:30 UhrEine flauschige Erinnerung zum jungen Jahr:
Irgendwann gegen 14.00 Uhr, Julia W. und ich waren gerade beim Frühstück, stürmte unsere Naturschutzwärtin, die bereits seit Stunden die Insel umrundete, zur Tür herein und berichtete aufgeregt, dass im Norden der Insel ein Heuler angestrandet sei und heule.
Da sie nicht wusste, was tun, hatte sie ihn liegen lassen und fragte uns um Rat. Aber auch unsere Erfahrung, was man mit einem vereinsamten, kleinen Seehund macht, tendierte gegen Null und so riefen wir die Seehundstation Norddeich an. Von dieser erhielten wir die Aufforderung, den Seehund vorbei zu bringen. Leichter gesagt als getan. Auf unsere Bemerkung, dass es von unserer Insel keine Fähre zum Festland gäbe und wir eigentlich nicht von der Insel runter dürften, wurde uns mitgeteilt, dass man uns in 10 Minuten noch einmal anrufen würde. 10 Minuten später erfuhren wir, dass im Süden der Insel ein Seenotkreuzer der DGzRS auf uns warte, um den Seehund aufs Festland nach Neuharlingersiel zu bringen. Im Norden der Insel, wo der Seehund lag, könne der Kreuzer wegen der Sandbänke nicht nahe genug an die Insel heran. In Neuharlingersiel werde der Seehund von einem Mitarbeiter der Seehundstation übernommen.
An dieser Stelle vielleicht doch mal ne Karte, der besseren Verständlichkeit wegen:
Wir mussten nun also 5 km in den Norden und dann samt Heuler dieselbe Strecke wieder zurück in den Süden. Aber wie transportiert man ein ca. 20 kg schweres Seehundbaby? Wir entschieden uns für eine kleine Ziehkarre, die normalerweise dazu genutzt wurde, unsere Nahrungsmittel von der Anlandungsstelle durch den Schlick zu unserem Häuschen zu schaffen.
Nach einem mühsamen Hinweg beim kläglichen Heuler angekommen, wickelten wir ihn, was gar nicht so einfach war, in eine sicherheitshalber ebenfalls mitgebrachte Decke und legten ihn in den Karren. Entgegen den Angaben unserer Naturschutzwärtin war das Seehundbaby aber alles andere als schwach und bewegungsunfähig. Während wir den nunmehr beladenen Karren durch den weichen Sand zerrten, befreite sich der Heuler immer wieder und hüpfte, seinem Namen alle Ehre machend, vom Wagen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, ihn doch dazu zu bewegen, im Wagen zu bleiben, gaben wir auf. So kamen wir nicht vorwärts und der Seenotkreuzer wartete ja bereits. Der Karrenplan war gescheitert.
Also blieb nur Tragen. Und an wem blieb das hängen? Natürlich am einzigen Mann in der Runde. Ähm, ich meine mich. Das Seehundbaby wurde daher wieder in die Decke eingepackt, mittlerweile hatten wir etwas Übung darin, und ich nahm ihn wie ein menschliches Baby auf den Arm und los ging’s. Glaubt mir, ein ca. 20 kg schweres zappelndes Bündel auf einer Strecke von 5km in glühender Hitze durch lockeren Sand zu tragen, ist kein Spaß. Aber nach einer ganzen Weile kamen wir endlich ziemlich erschöpft an der Südseite der Insel an, wo bereits die Wilhelm Kaisen auf uns wartete.
Da der Heuler aber unser erster Heuler war (später fanden wir noch vier weitere) und man nicht oft die Gelegenheit hat, Seehundbabys im Arm zu halten, wollten Julia und ich natürlich unbedingt ein Foto von uns mit dem Heuler haben. Wir holten die Kamera, ich gab Julia den Seehund und fotografierte sie. Danach bekam ich den Seehund zurück und Julia wollte einige Fotos von mir mit dem Seehund machen.
Ich postierte mich und schaute in die Kamera. Der Seehund aber schien jetzt gar keine Lust mehr zu haben, transportiert zu werden. Julia drückte den Auslöser und genau in dem Moment biss der Seehund zu. Er biss so richtig in meine linke Schulter. Dabei muss man wissen, dass Seehunde, wie niedlich sie auch aussehen, eben Raubtiere sind und auch ein solches Gebiss haben. Auf vieles war ich gefasst, als ich mich entschieden hatte, für mehr als ein halbes Jahr auf einen einsame Insel zu gehen, aber nicht darauf, von einem Seehund gebissen zu werden. Vor Schreck und Schmerz riss ich meine Arme hoch und mit meinen Armen den Seehund. Er entglitt mir, flog einen Meter durch die Luft und landete unsanft auf dem feuchten, harten Sand. Instinktiv drückte Julia ein weiteres Mal auf den Auslöser, so dass folgende Fotos zustande kamen:
Ihm war bei dem Sturz wohl nicht viel passiert, ich dagegen hatte die nächsten 2 Wochen eine zuerst blaue, dann grüne und gelbe Schulter.
Wir brachten den Heuler nun zum Seenotkreuzer, durften mitfahren und betraten nach drei Monaten zum ersten Mal das Festland. In Neuharlingersiel übergaben wir den Seehund unter lautem Johlen der umstehenden Touristenkinder dem wartenden Mitarbeiter der Seehundstation. Dieser verabreichte dem Heuler zunächst mal Antibiotika und fragte uns dann, wie wir den Heuler nennen wollten, da der Finder eines Heulers diesem einen Namen geben darf. Aufgrund der Vorkommnisse, weil es in diesem Jahr ein Name mit dem Anfangsbuchstaben ‘S’ sein musste und weil damals im Radio ‘Rhythm is a Dancer’ rauf und runter gespielt wurde, kamen wir relativ schnell auf den Namen Snap.
Die Leute der DGzRS luden uns noch zu einem Eis ein und zurück ging’s für weitere vier Monate auf die Insel. Bei allen späteren Heulerfunden durften wir dann leider nicht mehr mit ans Festland.
das erste heulerbild, da sieht der aber auch unheimlich aus, sone scream-fratze fast.
Bisschen auch wie Dylan in den Achtzigern.
Holy Moly.
Und Dir haben sie keine Antibiotika geben wollen?
@ parka: wie, wie dylan in den 80ern? die langen haare?
@ middleon: nein, ich war ja nur zivi und wir waren damals nicht vom aussterben bedroht.
Knackige Schenkel, Herr Schwenkel, oder übertreibe ich da vielleicht schon wieder?
wie immer. beides.
Das Eis war das beste an der ganzen Aktion.
Hallo da, ich bin Stephan und hab ein paar Fragen zur Insel Mellum. Wäre nett, wenn jemand die beantworten könnte, da ich einen Aufenthalt als NSW von März 2006 bis …2006 auf Mellum erwäge. Ich war schon mal Zivi in ‘nem Nationalpark, kenn’ vielleicht daher die Situation ein wenig. Beim Mellumrat hatte ich mich für Wangerooge beworben. Der Grund: Die Einsamkeit. Ich dachte, auf Mellum würde es recht einsam werden, wie oftmals während meines Zivis, aber ich hab eher Lust meine Zeit mit ein paar Leuten zu teilen. Ist man länger allein auf der Insel? Wer macht die (wenigen) Führungen außerhalb der Brutsaison? Umweltbildung gefällt mir halt, und über’s Wattenmeer wollt ich auch was lernen. Also eine kleine Beschreibung, wie ich’s mir da vorstellen kann, oder Anderes bitte, Danke, Gruß aus Thüringen.