die rechte suppe kocht

bodo am 4. Juni 2002 um 20:22 Uhr

heute habe ich einen kurzen gesprächsfetzen aus einem dialog zwischen einem taxifahrer und einer dame mittleren alters aufgeschnappt. er hat nicht viel gesagt, aber sie: ‘heutzutage darf man ja schon garnix mehr sagen’ (er irgendwas) ‘irgendwie muß man ja sein deutschtum auch verteidigen’. es ging amüsant weiter. unfreiwilligermaßen war ich auf dem weg zu einer bürgeranhörung bei einer ortsbeiratssitzung. es war von grün bis rep alles anwesend, also von rechts bis ultrarechts. erstes thema waren ärgernisse durch graffiti. viel hätte nicht gefehlt, daß einer fordert, auf frischer tat ertappten tätern die hände abzuhacken. am allerschlimmsten waren die beiräte der spd, der von den reps hat die ganze zeit garnichts gesagt. aber volkes stimme hat mal wieder gesprochen. ich glaube, man kann so als nicht dem ‘gemeinen’ volk angehörender, will sagen als jemand, der sich fast ausschließlich und ziemlich hermetisch in seiner eigenen (’linksgerichteten’, ‘intellektuellen’, ’subkulturellen’ oder was auch immer, ist ja kaum zu bestimmen) posse aufhält garnicht ermessen, wie (excuse me für totschlagadjektiv) faschistoid volkes stimme wirklich erschallt. ich meine, man weiß es ja eigentlich, aber wenn man es noch öfter unmittelbarer mitkriegen würde, wäre wohl auswandern angesagt. ich weiß, ich weiß, alles alte hüte, aber es entsetzt mich doch irgendwie jedesmal wieder aufs neue. interessanterweise beginnt mein umfeld (incl. mir) zum teil sich nach einer längeren laissez-faire-phase wieder richtig ordentlich zu radikalisieren (zumindest in der theorie). und dabei dachte ich immer, man wird ‘ruhiger’, wenn man älter wird. aber zum ruhig werden scheint gerade nicht die richtige zeit zu sein.

13 Kommentare zu “die rechte suppe kocht”

  1. Sean P. Floyd,

    Grrrrr. Graffiti. Nicht Graffitis. Es heißt auch nicht Praktikas (obwohl das leider auch sehr oft gesagt wird…)

  2. Sean P. Floyd,

    ach ja und zum Content: deshalb ist ja auch Basisdemokratie so gefährlich. Das was die Basis will möchte man als halbwegs gescheiter Mensch am liebsten gar nicht wissen…

  3. bodo,

    sorry, sorry, wird gleich verbessert.

  4. bodo,

    zum content zurück: also basisdemokratie, na ja ich komme ja eher aus der radikaldemokratischen ecke, das ist schon ein unterschied. aber denoch halte ich dein argument für falsch. die regierung zockt ja auch nicht anders als der mob, und der von mir wiedergegebene gesprächsfetzen spiegelt letztendlich nur positionen und maßnahmen wieder, die wir auch von honorigen parteifunktionären gewohnt sind. und die beiräte bilden schließlich ein in grenzen entscheidungsfähiges parlamentarisches gremium. das kann das entscheidende argument gegen radikaldemokratie (oder basisdemokratie, wie du schreibst, die halte ich allerdings auch für fragwürdig) nicht sein.

  5. bodo,

    und nochmal: was eigentlich erschrickt ist die tatsächliche übereinstimmung von volkes stimme mit den möllemanns dieser welt.

  6. bodo,

    dies ist eine demonstartion der kommentar-funktion für caro

  7. Caro,

    …was soll das denn heißen???!!..

  8. Irene,

    Sorry, das ist mir zu elitär: Das “gemeine Volk” und eine knappe handvoll schlauer Köpfe aus Deinem Milieu, die besorgt drüberstehen?

    So scheußlich ich die breite und aggressive Unterstützung für Möllemann finde: Es gibt auch eine Menge Leute, die Wahlkampfpopulismus durchschauen und sich raushalten, die sie denken, daß es in der aufgeheizten Stimmung sowieso nichts bringt, was zu sagen (das denke ich allmählich auch) oder aggressive Auseinandersetzungen generell aus dem Bauch heraus meiden, oder weil ihnen die ganze Diskussion langsam zu eitel ist, oder aus NS-kritischen Familien stammen, die sowieso nicht auf Möllemann-Masche anspringen. In der Öffentlichkeit reißen nun mal überwiegend Wichtigtuer und Dummköpfe den Schnabel auf (das ist übrigens in kritischen und alternativen “Subkulturen” auch nicht völlig anders), und die Lauten hört man halt mehr als die Leisen.

    Und in der Kritik an Möllemann und Walser geht es ja nicht nur um Protest gegen Rechts und den Populismus, das ist ja auch irgendwie eine sehr schöne Gelegenheit, sich intellektuell in Pose zu schmeißen, oder?

  9. bodo,

    klar kann man sich da intellektuell schön in pose schmeißen, aber wenn die kritik zutrifft, ist es doch völlig wurscht, ob das jemand in diesem kontext tut oder nicht. ich glaube, der vorwurf des elitarismus trifft es nicht. ich setze mich ja nicht für die oligarchie der philosophen ein, zu denen ich mich dann am besten noch dazurechne, nein darum soll es nicht gehen, wie du auch an meinen bemerkungen zu radikaldemokratie unschwer erkennen kannst. da wäre sean schon eher elitär, will ich jetzt ihm aber auch garnicht vorwerfen. was ich mit meinem, wie du es nennst ‘milieu’ meine ist folgendes: nicht das ich mich als superschlaukopf im kreise von anderen superschlauköpfen bewege, sondern das ich mich sagen wir mal im kreise von menschen bewege, von denen sich viele von mir aus radikaler linker gesellschaftskritik geleitet von einer, na nennen wir es mal gewissen ‘menschenfreundlichkeit’, in der zum beispiel ausbeutungsverhältnisse, rassismus, antisemitismus, und was weiß ich nicht noch für gemeinheiten extrem scheiße gefunden werden, und wo vor allem eine gewiße sensibilität dafür besteht, solche gemeinheiten zu bemerken. das ist jetzt ziemlich banal (vor allem das wort ‘menschenfreundlichkeit’ ist schon sehr streitbar, klingt nach müsli-man, gott bewahre!!) zusammengefaßt, ich denke, du weißt, worauf ich hinaus will, is ja immer so wenig platz bei den comments. wenn ich mir also auf der straße so eine fiese scheiße anhören muß, dann habe ich das gefühl, das solche positionen, wie ich sie gerade mehr schlecht als recht umrissen habe, absolut marginal sind, und die hegemonie aus genau dem gegenteil besteht: da darf das deutschtum auch mal wieder gegen den saujud verteidigt werden. unterschätze nicht, wie viele leute so denken. ja und was deine kritik an der ’subkultur’ betrifft: klar ist das so, aber ich finde es halt interessanter über inhalte zu reden.

  10. bodo,

    der mittlere satz ist irgendwie mißglückt ;-) hoffe, es ist trotzdem verständlich.

  11. Jan-Paul,

    Zu deinem mittleren Satz, den man im übrigen schon verstehen kann, fällt mir ausnahmsweise ein Zitat ein:
    “Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben. Dann würden ihnen
    ganz von selbst kurze Sätze einfallen.”
    Ernest Hemingway
    Ansonsten eine feine Sache, diese Webblocs, oder wie die heißen. Liebe Grüße, jp

  12. praschl,

    ich habe den thread erst jetzt gelesen. ich mache gelegentlich ähnliche beobachtungen, aber andererseits auch ganz andere. blöder satz. was ich meine: genau so, wie der mob immer mobbender wird, wird auch der nicht-mob, sagen wir mal die “menschenfreundlichen menschen” meiner beobachtung nach entschiedener, eloquenter usw. gerade im zusammenhang mit der möllemann- und der walser-debatte habe ich sehr viele angenehme überraschungen erlebt, von leuten, die nicht besonders links stehen, sich nicht nur in subkulturen bewegen (wie wir alle halt), sondern einfach bloß so eine habituelle citoyen-anständigkeit haben, von der man meistens eher wenig merkt. vielleicht ist es ja auch so, dass in rauheren zeiten mehr polarisierung stattfindet; auf der einen wie auf der anderen seite. die eine nervt natürlich ungeheuer. aber die andere würde ich lieber nicht übersehen. erst gestern habe ich zum beispiel in der s-bahn zwei mittelalten damen zugehört, klang ein wenig nach spd-ticket, die ungeheuer eindrucksvoll darüber sprachen, wie bedrückend es wäre, dass im justizvollzug der reha-, wiedereingliederungs-, qualifizierungs- usw. gedanke immer mehr zurückgedrängt würde. das hat mich dann doch sehr angenehm erstaunt - über solche themen machen sich ja auch linksliberale kaum noch gedanken. weiß auch nicht.

  13. praschl,

    noch was: ich halte “menschenfreundlichkeit” für ein immens schönes wort und eine noch schönere tugend. im übrigen für eine sehr linke. auch wenns nach müsli klingt.

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