Juni 2001

Computerangst

stefan am 3. Juni 2001 um 09:59 Uhr | link

Weil ich im Moment soviel zu tun habe, und weil’s so schön ist, nochmal Kursbuch (75) 1984. Diesmal: Bernd Mahr.
Der Entwurf von Computersystemen, besonders, wenn diese nicht nur Fachleuten, sondern einer großen und inhomogenen Benutzergruppe zugänglich sind, setzt die Kenntnis der Bedürfnisse und des Verhaltens der zukünftigen Benutzer voraus. Da dies nicht geht, bleiben nur Mutmaßungen und magere Erfahrungswerte. “Typische Probleme sind inzwischen erkannt, und es gilt, sie zu vermeiden:

Fishbowl-Effekt: Der Benutzer hat den Eindruck, beobachtet zu werden. Die Fehler, die er macht, denkt er, sind stupide, und andere machen sie nicht.

Peephole-Effekt: Das Terminal (Ein/Ausgabegerät) gleicht einem Guckloch in einem großen Ballsaal. Es fehlt die Zoom-Linse, mit der sich der Benutzer einen Überblick verschaffen kann.

Bully-Effekt: Die unverzügliche Reaktion des Computers und die Formulierungen der Aufforderung zu neuerlicher Eingabe setzen den Benutzer unter Druck und geben ihm das Gefühl, er müsse ebenso schnell reagieren.

Concrete-Effekt: Der Benutzer hat den Eindruck, er muss sich dem Computer anpassen, der endgültig ist und aus Beton.

Clutter-Effekt: Der Benutzer erhält mehr Informationen, als er wirklich benötigt. Zu viele Instruktionen oder Wahlmöglichkeiten stehen ihm offen, so dass er die richtigen nicht auszuwählen vermag.

Computer-Angst: Die Angst des Benutzers, die Maschine lahmzulegen, etwas kaputtzumachen. Etwa dadurch erzeugt, dass ihm unter allen Umständen verboten ist, eine bestimmte Taste zu drücken.

People-Angst: Die Angst des Benutzers, sich von anderen Benutzern Ratschläge für den Gebrauch des Computers zu holen.

Rorschach Blot: Der Benutzer, der das System nicht kennt, nimmt an, es sei doch nichts anderes als das, was er schon kennt. Er nimmt an, was für ihn leicht ist, sei es auch für den Computer, und was für ihn schwierig, entsprechend.”

evolution

stefan am 1. Juni 2001 um 23:45 Uhr | link

Ein nettes Programm, das anschaulich zeigt, wie die Evolution funktioniert. Irgendwann schreibt vielleicht auch ein Affe Hamlet.

dsl

stefan am 1. Juni 2001 um 02:09 Uhr | link

Na endlich, ab 13.6. habe ich dsl. Wird mir jedenfalls von berufener Stelle gesagt.

Dornröschens Traum

stefan am 1. Juni 2001 um 01:11 Uhr | link

Dornröschens Traum

“Der Traum von der verdrahteten Gesellschaft: Jede Familie hat einen oder mehrere Home Computer, einige haben zusätzlich einen oder mehrere Personal Computer oder Arbeitsplatz-Stationen. Alle diese Stationen sind über Telefon miteinander verbunden. Verschiedene öffentlich-rechtliche und kommerzielle Datenbanken sind für jeden “anrufbar”. Wir kaufen per Telecomputer ein, wir arbeiten, falls wir zu den Datenverarbeitenden gehören, dezentralisiert entweder zu Hause oder im nahen Community Center für ein Unternehmen, das eigentlich nur als Datenbank und Telefonnummer in Erscheinung tritt. Die Kinder gehen zwar im Community Center zur Schule, aber Speziallehrer sind nur über Telekommunikation erreichbar. Transaktionen, Verwaltungsakte, Heiratsvermittlungen, Studien, alles was nicht physische Präsenz erfordert, wird mittels des neuen Mediums vollbracht. Der Home Computer braucht wenig Energie, wir wohnen im Grünen, und die Elektrizität kommt via Biogas aus dem Klo. Alle leben furchtbar gesund und pflanzen Biogemüse, halten ein paar Haustiere zum Streicheln und Schlachten. Auf den Autobahnen des letzten Jahrhunderts wächst Efeu, und es bilden sich Mythen: Die sogenanten Autobahnen waren Opferstätten für Menschenopfer einer vergessenen Religion. An vormals christlichen Feiertagen wie Ostern und Pfingsten sollen besonders viele Menschen geopfert worden sein. Ja, damals, im blechernen Zeitalter. Aber heute: Es herrscht kein Hunger mehr und kein Krieg. Die Wüste ist, dank elektronisch gesteuerter und sonnengespeister Bewässerungsanlagen wieder grün. Die Beduinen verschiedenster Kulturen überwachen ihre Herden mit Satellitenkameras. Auch die Alpwirtschaft blüht wieder, ebenso die Jagd in ökologischen Grenzen und das Sammeln von Wildgemüse. Auch hier hilft die Datenverarbeitung: Wild und Pflanzenwachstum sind elektronisch markiert, was das Wiederfinden ergiebiger Stellen erleichtert. Die landwirtschaftliche Produktion ist vollständig dezentralisiert. In großen Betrieben verrichten Roboter die Schwerarbeit, und die Menschen üben Kontrollfunktionen aus oder kehren zurück zum holistischen Handwerk. Dienstleistungen menschlicher Art erleben eine Renaissance. Berufe wie Conversationsdame, Butler, Gärtner sind wieder in. Clubs mit guten Restaurants, Barbiere mit Conversationsniveau, Teekränzchen und Bordelle für alle Geschlechter haben eine neue Blüte. Wir sammeln Pilze und studieren tibetanische Medizin, pflegen alte Sprachen, machen viel Musik, entwerfen neue Spiele, studieren Astrologie und kombinieren das alles zum großen Glasperlenspiel. Oder wir pflegen die Künste, Töpferei, Malerei, schreiben Geschichten, schneidern Kleider, schmieden Gold und Silber. Das Rohmaterial kommt aus der vollautomatisierten Abfallverwertungsanlage. Es ist das Zeitalter des homo ludens. […]
Und am Ende des Lebens stirbt man, natürlich und glücklich, nicht im Suicide-Salon, wie im Film “Soilent Green” oder in den Geschichten von Vonnegut, sondern im Bett, im Kreis der Lieben wie der Stammvater Abraham selig.
Uff, wo bin ich, sprach Dornröschen, nachdem der Prinz es geküsst hatte. Du bist nach hundert Jahren Schlaf aufgewacht. Und fast hätte es das alles geglaubt.
Wenn wir als Kinder Monopoly spielten, war immer einer ganz schnell bankrott, und weil wir länger spielen wollten, erfanden wir Darlehen und Inflation. Wenn aber alle sachte, aufs Gleichgewicht achtend, gemeinsam Anti-Monopoly spielen, dann, so zeigt die Computersimulation, wächst der Wohlstand aller, und das Spiel kann unendlich fortgesetzt werden.
Computersimulation kann uns die Stunde der atomaren Vernichtung näher bringen, warum nicht auch die Stunde des ökologischen Gleichgewichts. Man mache jeden Morgen ein paar Selbstbegeisterungsübungen und glaube an die “Kraft des positiven Denkens”! Aber ich schreibe das alles fünfzig Kilometer südlich der Shouf-Berge im Libanon, und mein Glaube an die sinnvolle Verwendung menschlicher Phantasie ist zutiefst erschüttert.”

“1984: Brave New Work” by Johann A. Makowsky aus Kursbuch (75) 1984

Soviel zu Eutopia 1984.


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